Hörtheatrale

Die Hoertheatrale

Transsilvanien  auf den Lahnbergen 

Marburger Hörtheatrale begeistert mit spannender Live-Hörspielversion des Horrorklassikers „Dracula“

Mehr als 200 Zuhörer kamen am Freitagabend zur  Premiere  von  „Dracula“ auf der Waldbühne  vor dem Kaiser-Wilhelm-Turm. 

Marburg. Dichter Kunstnebel wabert über das Gelände. Der Kaiser-Wilhelm-Turm ist in blutrotes Licht getaucht. Dra­cula gibt sich die Ehre, der be­rühmteste er Vampire.  Der Fürst der Finsternis hat sein kaltes Grab in seinem finsteren Schloss in Transsilvanien ver­ lassen, um Marburger Theaters Besucher zwei Stunden lang an-genehm zu gruseln. Doch keine Sorge: So richtig Angst verbreitet der mächtige Vampir – 114 Jahre nach dem der irische Schriftsteller Bram Stoker ihn auf die Menschheit los­ ließ – nicht mehr. Dank Hol­lywood sind die Menschen des spä­ten 20. und frühen 21. Jahrhun­derts ganz andere Schrecken gewöhnt.

Und doch hat der berühmte Vampir nichts von seiner morbiden Faszination verloren.

Der Marburger Schauspieler Daniel Sempf hat den Romanklassiker, der unzählige Auf­lagen und Nachahmer erleb­te, mit seiner 2009 gegründe­ten Hörtheatrale in eine Spielfassung gebracht. Er hat die Tagebucheintra­gungen, die den Roman prägen, in  Dialoge  umgewandelt, hat gemeinsam mit dem Sound-Designer Ben Streibig monatelang an Klängen und Effekten getüftelt, die die Atmosphäre des Schauerromans unterstreichen: Alte Türen knirschen in 

rostigen Angeln, Krähen krächzen, Fens­ter splittern, Särge werden aufgebrochen, Kutschen und Pferde galoppieren  über den Platz, Lokomotiven quälen sich geräuschvoll durch die Berge der Karpaten, Wellen plät­schern an Schiffsrümpfe: Die Klanggemälde  machen die Illusion für die Zuhörer perfekt, die die Augen schließen. Es ist Kopfkino pur, zumal die Mit­streiter  von  Daniel  Sempf  ihr Handwerk verstehen. Sie schlüpfen ge­konnt in verschiedene Rollen. Zwar ist die „Dracula“-Version der Hörtheatrale in erster Linie ein Hörspiel, das den Vergleich zu Studioproduktionen auf CD keineswegs scheuen muss, doch setzt das kleine Team auch op­tisch Akzente. Im Zentrum steht eine kleine Bühne mit vier Le­sepulten, doch bietet das Ensemble auch kleine szenische Einlagen – etwa wenn -Franzis­ka Knetsch als zum Vampir mutierte Lucy Westemra in ein blut­verschmiertes Kleid steigt. Auch den mächtigen Kaiser-Wilhelm­ Turm bezieht das Team in das Spiel mit ein. 

,,Dracula“ ist gekonntes Hör­theater, eine Hymne an eine alte Kunstform, die eng mit Thea­ter, Kino und Rundfunk verbun­den ist. 

Oberhessische Presse | 23.7.2011 | von Uwe Badouin