Hörtheatrale

Die Hoertheatrale

Die Hörtheatrale inszeniert Sven Gerhardts „Heuhaufen-Halunken“


Die Live-Hörspielspezialisten und der Marburer Berstseller-Autor haben sich für eine gemeinsame Produktion zusammengetan. Premiere für ein Publikum ab sechs Jahren ist am Sonntag, dem 17.11. um 15.30 Uhr im Lomonossowkeller.

Express: Krimi, Horror, Drama – Die Hörtheatrale kümmerte sich bisher um eher dustere Sujets. Mit den „Heuhaufen-Halunken“ kommt jetzt zum ersten Mal ein Kinderthema. Warum?

Daniel Sempf: Wir haben schon mehrere Stücke produziert, die sich an unser junges Publikum richten. Zum Beispiel „Rapunzel“ oder „Das kalte Herz“. Mit den Heuhaufen-Halunken sind wir nun im Heute angekommen, was tatsächlich für uns das erste Mal ist.Und warum? Weil es eine richtig gute Geschichte ist. Noch dazu aus unserer Region. Was tun Kinder auf dem Land, die keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Kultur haben, wenn es in ihrer Umgebung nicht mal einen See oder ein Bad gibt, oder nur schwer zu erreichen ist, wenn es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt und die Eltern vor lauter Arbeit keine Zeit haben. Sie nehmen es selbst in die Hand und werden aktiv. Sie schreiben ihre eigenen Abenteuergeschichten, mit dem was sie haben. Und das interessiert mich sehr.

Express: Wie kam die Zusammenarbeit zwischen Autor Sven Gerhardt und der Hörtheatrale zustande?

Sven Gerhardt: Daniel und ich kennen uns schon seit einigen Jahren und ich verfolge begeistert, wie sich die Hörtheatrale entwickelt hat. Ich habe selbst viele Stücke gesehen – unter anderem auch „Rapunzel“, das vor Jahren am Spiegelslustturm aufgeführt wurde. Irgendwann kam die Idee, mal was gemeinsam auf die Beine zu stellen. Und die Heuhaufen-Halunken schienen dafür bestens geeignet zu sein.

Daniel Sempf: Als ich Sven kennenlernte, übrigens durch unsere Kinder, bat ich ihn um Hilfe bei der Erstellung von einigen Plakaten und Flyern. Seine Arbeiten als Grafiker fand ich sehr gut. Und so haben wir immer mal wieder über ver­schiedene Projekte gesprochen. Als Sven dann sein Schreiben vertiefte, war ich sofort interessiert. Was mir als erstes auffiel, ist sein feiner Humor. Und der findet sich auch in seinen Büchern wieder. Ein Thema, das sich mit Halunken beschäftigt, passt absolut zum Profil der Hörtheatrale. Und wie sich zeigt, eignet sich sein Text sehr gut für ein Hörspiel, denn er lässt genügend Raum für Phantasie.

Express: Worum geht es in dem Stück?

Sven Gerhardt: Die Heuhaufen-Halunken sind eine Kinderbande, die im fiktiven Dorf Dümpelwalde leben. Die Sommerferien beginnen und keines der Kinder fährt in den Urlaub. Langeweile scheint vorprogrammiert, doch Meggy, die Anführerin der Bande, schmiedet den rettenden Plan: Badeurlaub am Plörrsee. Als Transportmittel soll ein altes Auto dienen, das im Bandenquartier der Heuhaufen-Halunken vor sich hin rostet, und die Eltern dürfen natürlich nichts von dem Vorhaben wissen. Stadtkind Marius, der seine Ferien in Dümpelwalde verbringt, wird am Ende zum tragischen Helden.

Daniel Sempf: Es geht um Freundschaft, Vorurteile und wie man Fremden be­gegnet. Und welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn man sich öffnet, ein Risiko eingeht und über seinen Schatten springt.

Express: Wie gestaltete sich die Arbeit?

Sven Gerhardt: Was die dramaturgische Fassung angeht, habe ich Daniel ein­fach freie Hand gelassen, weil ich weiß, dass er da richtig gute Arbeit macht. Ich habe ihn jedoch unterstützt, wenn Fragen bezüglich der Kürzung des Buchs aufkamen. Außerdem habe ich beim Erstellen der Werbemittel mit angepackt.

Daniel Sempf: Ich habe mir den Text angeschaut und auf mich wirken lassen. Dann habe ich versucht die wichtigsten Themen und Handlungsstränge heraus zu lesen. Also, worauf baue ich die Geschichte in einer dramatisierten Fassung auf? Welche Situationen gibt es, wer ist wie und hat welche Probleme mit wem? Wo spielt das alles? Ich habe überlegt, wie der Text zu den Schauspielerinnen und Schauspielern passt. Und dann ging es ans Schreiben. Ich habe dann Sven immer wieder eine Fassung geschickt. Auf das Eine oder Andere mussten wir leider verzichten. Aber meist war er beruhigt. Danach habe ich die Sounds und die Musik produziert, was dem Stück schon eine deutliche Richtung gibt. Halunken- oder gangstermäßig. Und parallel dazu probieren wir Schau­spieler­innen und Schauspieler die Rollen und Situationen. Dabei hatten und haben wir großen Spaß. Da bringt jeder seins ein.

Express: Wo lagen besondere Herausforderungen?

Daniel Sempf: Das Thema „Halunken“ ernst zu nehmen, aber nicht zu über­treiben und dabei alle anderen Themen, Freundschaft, Vorurteile, Einsamkeit, Langeweile, das Fremde nicht aus den Augen zu verlieren. Und nicht zu ver­gessen, dass die Helden der Geschichte ja Kinder sind.

Express: Wie werden die Heuhaufen-Halunken dem Publikum präsentiert?

Daniel Sempf: Drei professionelle Schauspielerinnen und Schauspieler, Victoria Schmidt, Camil Morariu und ich,werden die Geschichte spielen und erzählen. Natürlich wird es Sounds, Geräusche, Musik und einen Erzähler geben, wie in einem Hörspiel. Nur passiert das alles live auf der Bühne und mit Theater­be­leuchtung. Mehr wird noch nicht verraten …

Express: Ist die aktuelle Produktion eher als Experiment gefasst oder könnte sich hier neben den eingangs erwähnten Bereichen ein fester Bestandteil im Portfolio der Hörtheatrale etablieren?

Daniel Sempf: Unsere Projekte sind immer ein Experiment. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst Wiesbaden und den Fachdienst Kultur der Universitätsstadt Marburg finanziell unterstützt werden. Und da ich ja bereits erwähnte, dass wir schon andere Stücke für Kinder produziert haben, kann ich sagen, dass Kindertheater schon jetzt zum fester Bestandteil der Hörtheatrale gehört. Dass das nicht so gesehen wird, liegt vielleicht daran, dass wir mit diesen Stücken sehr oft an Schulen unterwegs sind. Übrigens bieten wir auch die Heuhaufen-Halunken für Schulen an.

Express: Bitte kurz etwas zur Geschichte der Hörtheatrale …

Daniel Sempf: Die Anregung der eigenen Vorstellungskraft durch Stimmen, Geräusche und Musik und die Macht des Theaters, Illusionen zu erzeugen, brachte uns 2009 auf die Idee, eine Verbindung zwischen Theater und Hörspiel herzustellen. Und so entstand das erste Hörtheatrale-Stück: „Der Teufelsfuß“, eine Kriminalgeschichte. Daraufhin gab es über 100 Veranstaltungen in und um Marburg, zum Beispiel in der Cavete, in Schulen, der Blindenstudienanstalt, Spiegelslustturm und im Cineplex. Seit Herbst 2014 ist der Lomonssowkeller in Marburg unsere feste Spielstätte. 2013 eröffneten wir in Köln die Hörspiel-Arena mit einem Stück. Und seit 2014 sind wir regelmäßig auf der SherloCON in Saarbrücken vertreten. 2018 verlieh uns die Deutsche Sherlock-Holmes-Gesell­schaft den „Blauen Karfunkel“, als Anerkennung für unsere Arbeit mit dem Stoff um die literarische Figur des Sherlock Holmes.

Express: … und zum Autoren der Heuhaufen-Halunken?

Sven Gerhardt: Sven Gerhardt, 1977 in Marburg geboren, ist verheiratet und hat drei Kinder. Um ein Haar wäre er Grundschullehrer geworden, hat sich dann aber doch dazu entschlossen, sein Hobby zum Beruf zu machen. Nach einigen Jahren in der Werbebranche arbeitet er mittlerweile als Grafiker und Autor in der Verlagswelt. Mit den Abenteuern rund um die Heuhaufen-Halunken hat er es auf die Kinderbuch-Bestsellerliste des „Spiegel“ geschafft.

ExpressMarburg 14.11.2019, Interview: Michael Arlt

 

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