Hörtheatrale

Die Hoertheatrale

Meisterdetektiv ermittelt in Homberg | Oberhessische Zeitung

HOMBERG – Kein Bühnenbild und keinen Schnick-Schnack. Lediglich zwei Hocker, zwei Männer und ein wenig Technik reichten am Sonntag in Homberg zur besten „Crime-Time“ aus, rund 90 Hobby-Kriminologen zurückzuversetzen ins schaurig-schöne England Ende des 19. Jahrhunderts. Die Begegnung mit Sherlock Holmes und Dr. Watson stand an. Zu klären gab es „den Fall Moriarty“ – im Auftrag des findigen Kreativteams der Ohm-Sweet-Ohm-Kulturreihe.

Während die gläserne Ausstellungshalle des Autohauses Nord normalerweise schicke Karossen ins rechte Licht rückt, bot am Abend die fahrzeugfreie Räumlichkeit in ihrer Schlichtheit ein ideales Ambiente für die Inszenierung des Live-Hörspiels der Hörtheatrale aus Marburg.

„Wir vom Organisationsteam von OSO haben die Hörtheatrale bereits auf unserer Agenda seit 2014. Das war unser erster Kontakt. Und meine Kontaktperson, Daniel Sempf, den Gründer und künstlerischen Leiter des Ensembles, lernen sie heute in der Rolle des pragmatischen Dr. Watson kennen“, verriet Beate Goßfelder-Michel in ihrer Begrüßung.

Nur zwei Herren betraten die Bühne und präsentierten das spannende Abenteuer mit dem englischen Meisterdetektiv von Schriftsteller Arthur Conan Doyle. Dunkelheit, sphärisches Licht, Nebel und ein Glockenschlag des berühmten Londoner „Big Ben“ (Uhrturm am ‚Palace of Westminster‘ in London) entfalteten ihre volle Wirkung. Gebannt saßen die Zuhörer auf ihren Plätzen und ließen sich – teils mit geschlossenen Augen – auf das Wirken von Sempf und seinem Begleiter Stefan Gille ein. Kurzum waren eingefleischte Sherlock-Kenner mitten in der Baker Street im Arbeitszimmer von Haus Nummer 221b und gingen auf Verbrecherjagd. Hier holperten Droschken über das Kopfsteinpflaster, da stimulierten launige Trinkgeräusche eines Pubs das Kopfkino zu Bildern. Hier rollte ein Zug vom grauen London quer durch Europa in die Schweizer Berge, da knarrten Türen. Das Hörspielensemble bediente sich dazu eines breiten Geräuschspektrums. Pass- und punktgenau brachte Sempf die Effekte zur Geltung, während er gleichzeitig mit seinem Bühnenpartner mit stimmstarken und bewegungsreichen Gesten in das kriminalistische Geschehen eintauchte.

Offenkundig war „einfach still sitzen“ nicht das Ding der beiden Darsteller. Kein Wunder also, dass Sherlock Holmes eine imaginäre Schachtel Streichhölzer fing, die ihm sein Kompagnon nach Entzünden eines Streichholzes an der Schuhsohle für die echte Zigarre zuwarf. „Warum eine Zigarre und nicht die berühmte Pfeife?“, fragten sich aufmerksame Beobachter. Die Lösung nahte – das gute Stück kam erst im zweiten Teil der Geschichte vor.

Ziemlich ungemütlich gingen die Spürnasen auf Verbrecherjagd – ein schwerer Fall. Denn Moriarty, der „Napoleon des Verbrechens“, trachtete nach Holmes Leben. Demnach wurden Beschatter beschattet und Verfolger verfolgt. Am Ende kam es sogar, wie es kommen musste. Der analytisch-rationale Denker stürzte im Kampf mit dem Bösen von einer Klippe in den Tod. Genauer gesagt – nur für die nächsten drei Jahre, knüpfte das Schauspielduo nach einer kleinen Verschnaufpause eine weitere Geschichte an. Hier brachte Watson die Begegnung mit einem fremden Doktor die Erkenntnis, dass sein Partner dem Tod entkommen war. Dummerweise aber ging in Homberg Holmes Haushälterin Mrs. Hudson verloren. Die Spannung im Saal erreichte ihren Höhepunkt.

Ohne Hemmungen nämlich ging Sherlock Holmes auf das Publikum zu und bat um tatkräftige Unterstützung. Ilona Dreher fasste sich ein Herz und rettete das Ende der Hörspiel-Geschichte mit dem Lesen der Sprechrolle der abhanden gekommenen Frau. Fall gelöst – donnernder Applaus aus dem Zuschauerraum!

05. September 2018

Foto: Buchhammer